Organspende – Eine lebensrettende Entscheidung

Organspende ist ein zentrales Thema in der modernen Medizin, aber auch eine zutiefst emotionale und ethische Angelegenheit. Der Gedanke, dass das Herz eines Menschen in einem anderen Körper weiterlebt oder eine Niere einer anderen Person ein neues Leben schenkt, fasziniert und bewegt viele. Doch es gibt auch Unsicherheiten, Missverständnisse und Ängste – sowohl bei Angehörigen als auch bei den Patient:innen selbst. In der aktuellen Podcast-Folge der Übergabe sprechen wir mit Bernd Gruber, einem erfahrenen Transplantationsbeauftragten, der uns einen tiefen Einblick in den Prozess der Organspende, die Bedeutung des Hirntods und den Umgang mit den Angehörigen von Spender:innen gibt.

„Organspende rettet Leben, doch der Weg dorthin ist für alle Beteiligten eine Herausforderung.“ – Eva

Bernd Gruber erklärt, dass der Weg zur Organspende ein komplexer, aber gut strukturierter Prozess ist. Von der Feststellung des Hirntods über die Betreuung der Angehörigen bis hin zur eigentlichen Entnahme der Organe – jeder Schritt wird sorgfältig und mit größter Sorgfalt durchgeführt. Dennoch bleibt die Frage offen, wann genau ein Mensch tot ist und wie man mit diesem Wissen umgeht.

Unser Video zur Organspende

Übergabe | Organspende
🎬 In diesem Video bieten wir einen Überblick zur Organspende. Es erklärt die Unterschiede zwischen Lebend- und postmortaler Spende und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Zudem wird die Bedeutung einer informierten Entscheidung hervorgehoben.

Was bedeutet der Hirntod?

Der Hirntod ist in Deutschland die Voraussetzung dafür, dass Organe zur Transplantation entnommen werden dürfen. Doch was bedeutet Hirntod eigentlich genau? Der Hirntod definiert als der vollständige und irreversible Ausfall aller Hirnfunktionen, einschließlich des Stammhirns, das für lebenswichtige Funktionen wie Atmung und Kreislaufsteuerung verantwortlich ist. Ohne die Funktionen des Gehirns ist es nicht möglich, dass der Mensch eigenständig weiterlebt. Maschinen können zwar die Atmung und den Kreislauf aufrechterhalten, aber der Tod ist bereits eingetreten.

Um den Hirntod festzustellen, gibt es in Deutschland strenge gesetzliche Vorgaben. Zwei unabhängige Ärzt:innen müssen die Diagnose bestätigen. Dazu werden verschiedene Tests durchgeführt, wie die Untersuchung der Pupillenreaktion auf Licht oder der Reflexe. Zudem wird häufig eine Doppler-Sonographie eingesetzt, um die Durchblutung des Gehirns zu überprüfen. Nur wenn kein Blut mehr ins Gehirn gelangt, kann der Hirntod diagnostiziert werden.

Die Unsicherheit der Angehörigen

Bernd Gruber beschreibt im Podcast eindrücklich, wie schwierig es für Angehörige ist, den Tod eines geliebten Menschen zu akzeptieren, wenn der Körper noch an Beatmungsmaschinen angeschlossen ist. „Für die Angehörigen sieht es oft so aus, als würde der Mensch noch leben“, erklärt er. Der Brustkorb hebt und senkt sich, das Herz schlägt – wie kann das also der Tod sein?

„Der Hirntod ist eine der sichersten Diagnosen in der Medizin. Es gibt keine Diagnose, die so streng überprüft wird.“ – Bernd Gruber

Dieser Moment ist für viele Angehörige besonders schmerzhaft. Sie sehen, dass die Maschinen die Lebensfunktionen des Körpers aufrechterhalten, und fragen sich, ob es nicht doch noch eine Hoffnung gibt. Hier sei es besonders wichtig, umfassend aufzuklären und die Hintergründe des Hirntods verständlich zu erklären. Nur so können die Angehörigen den schweren Prozess der Entscheidung für oder gegen eine Organspende bewältigen.

Die Rolle des Transplantationsbeauftragten

Bernd Gruber ist Transplantationsbeauftragter und beschreibt, wie viel Verantwortung diese Position mit sich bringt. Neben der medizinischen Koordination der Organspende ist es seine Aufgabe, die Angehörigen zu begleiten und sicherzustellen, dass alle Schritte ethisch und korrekt ablaufen. „Wir müssen immer den Willen der verstorbenen Person respektieren“, betont er. Das bedeutet, dass die Wünsche der Spender:innen im Mittelpunkt stehen, unabhängig davon, was die Angehörigen wollen. Wenn kein schriftlicher Wille vorliegt, wird versucht, herauszufinden, was die Person zu Lebzeiten gewollt hätte.

In der Rolle des Transplantationsbeauftragten sieht Gruber sich oft als Vermittler zwischen den Emotionen der Angehörigen und den technischen Notwendigkeiten der Organentnahme. Er erklärt, dass es hier besonders darauf ankommt, Fingerspitzengefühl und Empathie zu zeigen, denn die Angehörigen befinden sich in einer Ausnahmesituation. „Es ist unser Ziel, den Angehörigen genügend Zeit zu geben, sich zu verabschieden und den Tod zu verarbeiten“, sagt Gruber. Dabei spielt auch die Frage, ob die Angehörigen die verstorbene Person nach der Explantation noch einmal sehen möchten, eine große Rolle.

Organspende als ethische Herausforderung

Die Entscheidung zur Organspende ist für viele Menschen nicht leicht. Vor allem die Frage, wann der Tod eines Menschen wirklich eintritt, beschäftigt viele. Gegner:innen der Organspende argumentieren, dass der Hirntod nur ein Teil des Sterbeprozesses ist und dass der Mensch zu diesem Zeitpunkt noch nicht „wirklich“ tot sei. Für Gruber hingegen ist der Hirntod eindeutig: „Es gibt keine sicherere Diagnose in der Medizin als den Hirntod. Diese Diagnose wird mit höchster Sorgfalt und mehrfach überprüft gestellt.“

Trotzdem ist es verständlich, dass viele Menschen mit dieser Definition hadern. Die Vorstellung, dass der Körper noch warm ist und der Herzschlag noch zu sehen ist, während der Tod schon eingetreten ist, widerspricht oft dem intuitiven Bild vom Tod. Gruber erklärt jedoch, dass der Hirntod eine der strengsten und sichersten Diagnosen ist, die es gibt. Es gibt keine Möglichkeit, dass ein Mensch mit Hirntod wieder ins Leben zurückkehrt.

Der Ablauf des Organspendeprozesses

Sobald der Hirntod diagnostiziert ist und die Zustimmung zur Organspende vorliegt, beginnt ein straff organisierter Ablauf. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) koordiniert den gesamten Prozess, von der Vermittlung der Organe an passende Empfänger:innen bis hin zur Logistik der Organentnahme. Spezialist:innen aus verschiedenen Kliniken kommen zusammen, um die Organe zu entnehmen. In vielen Fällen werden die Organe an verschiedene Transplantationszentren in ganz Deutschland oder Europa verteilt.

„Jedes Organ hat eine bestimmte Zeit, in der es transplantiert werden muss, um erfolgreich zu sein“, erklärt Gruber. Herz und Lunge müssen innerhalb von vier bis sechs Stunden transplantiert werden, während Nieren bis zu 24 Stunden ohne Blutversorgung auskommen. Dieser enge Zeitplan erfordert eine präzise Koordination und Zusammenarbeit zwischen den medizinischen Teams, den Transplantationszentren und den Logistikdiensten.

Die emotionale Seite der Organspende

Neben den medizinischen Herausforderungen ist die Organspende auch eine emotionale Belastung – nicht nur für die Angehörigen, sondern auch für das medizinische Personal. Pflegefachpersonen und Ärzt:innen, die im Bereich der Intensivmedizin arbeiten, sind oft mit den schwersten Schicksalen konfrontiert. Gruber berichtet, dass es wichtig sei, als Team zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen. Der Umgang mit dem Tod gehört zwar zum Alltag auf der Intensivstation, aber die zusätzlichen emotionalen Belastungen durch den Organspendeprozess können das Personal stark fordern.

„Die Angehörigen sehen jemanden an Maschinen angeschlossen und fragen sich, wie dieser Mensch tot sein kann. Das ist ein schwieriger Prozess.“ – Bernd Gruber

Besonders schwierig ist es, wenn Kinder betroffen sind. Für Eltern ist die Entscheidung, die Organe ihres Kindes zu spenden, oft kaum erträglich. „Das ist die größte Herausforderung, die wir in der Organspende haben“, sagt Gruber. Der Schmerz und die Trauer der Eltern sind enorm, und es braucht viel Zeit und Geduld, um sie in dieser Situation zu begleiten.

Ethische Reflexionen – Wann ist ein Mensch wirklich tot?

Im Laufe des Podcasts wird deutlich, dass der Sterbeprozess bei der Organspende für viele Menschen unverständlich bleibt. Während einige akzeptieren, dass der Hirntod den Tod markiert, sind andere skeptisch. Gruber erklärt, dass in Deutschland der Gesamthirntod, also der vollständige Ausfall aller Hirnfunktionen, die gesetzliche Grundlage für die Organspende ist. Andere Länder, wie Großbritannien, gehen bei der Definition des Hirntods anders vor und betrachten nur den Ausfall des Großhirns als Todeskriterium.

Diese Unterschiede in der Definition zeigen, wie komplex das Thema Tod und Organspende ist. Für viele Menschen ist der Tod erst dann real, wenn der Herztod eintritt. „Aber wir halten durch unsere medizinischen Möglichkeiten den Körper so lange am Leben, dass die Organe noch verwendet werden können“, erklärt Bernd Gruber. Diese technische Verlängerung des Lebens widerspricht oft dem intuitiven Verständnis vom Tod. Hier zeigt sich die ethische Herausforderung, vor der nicht nur das medizinische Personal, sondern auch die Gesellschaft insgesamt steht.

Die Organspende in Deutschland

In Deutschland stehen etwa 8.500 Patient:innen auf der Warteliste für eine Organtransplantation (Stand: 2024) während 2023 nur 3.247 Organtransplantationen durchgeführt wurden. Diese Diskrepanz zeigt, wie dringend mehr Organspender:innen gebraucht werden. Trotz der gesetzlichen Änderungen und der verstärkten Aufklärungskampagnen bleibt die Zahl der Spender:innen niedrig. Bernd Gruber ist jedoch optimistisch, dass sich dies in den kommenden Jahren ändern wird.

„Die Aufklärung über den Hirntod und die Sicherheit des Spendeprozesses wird immer besser. Ich hoffe, dass mehr Menschen sich zu Lebzeiten entscheiden, Organspender:in zu werden.“

Dabei sei es besonders wichtig, mit den Angehörigen über die eigene Entscheidung zu sprechen und sie darüber zu informieren, was im Fall des Falles gewollt ist. Nur so kann sichergestellt werden, dass der Wille der verstorbenen Person respektiert wird.

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Detaillierte Informationen zur Warteliste
- Am 1. Januar 2024 waren 8.394 Patienten aktiv auf der Warteliste
- Im Jahr 2023 kamen 4.384 neue Patienten auf die Warteliste hinzu.
- Die meisten Patient:innen (etwa 6.500) warten auf eine Nierentransplantation

Weitere relevante Fakten
- Täglich kommen etwa 14 neue Menschen auf die Warteliste hinzu
- Die durchschnittliche Wartezeit für eine Niere beträgt 7-10 Jahre
- Leider sterben jeden Tag etwa 3 Menschen, die auf der Warteliste stehen

Organspende in Deutschland
- Im Jahr 2023 gab es 965 postmortale Organspender:innen in Deutschland
- Diese spendeten insgesamt 2.877 Organe
- Das entspricht etwa 11 Organspender:innen pro Million Einwohner:innen

Weiterführende Informationen

Bild von der Podcast-Aufnahme mit Bernd Gruber zum Thema Organspende
B. Gruber, Christian, Eva, Alexander (v.l.n.r.)