Die Pflegekammer: Neue Strukturen und Chancen für Pflegefachpersonen

Die pflegerische Versorgung in Deutschland hat sich in den letzten Jahren stark verändert, und das nicht nur durch die steigenden Ansprüche und den akuten Personalmangel. Die Einführung der Pflegekammern in einigen Bundesländern setzt ein Zeichen für die Stärkung der beruflichen Eigenverantwortung von Pflegefachpersonen. Als Plattform für den Austausch und die Interessenvertretung vereinen Kammern die Berufsgruppe und schaffen eine verbindliche Instanz, um das Berufsfeld zukunftssicher und professionell zu gestalten. Doch was bedeuten Pflegekammern im Detail für die Pflegefachpersonen, und wie können sie zu mehr Mitsprache und besseren Bedingungen führen?

Pflegekammern: Was genau steckt dahinter?

Pflegekammern haben das Ziel, die pflegerische Versorgung in Deutschland zu verbessern und die Eigenständigkeit des Pflegeberufs zu fördern. Hierbei sind sie nicht vergleichbar mit Verbänden oder Gewerkschaften, die häufig freiwillig organisiert sind und spezifische Berufsgruppen oder Spezialisierungen vertreten. Kammern agieren als Pflichtorganisationen für alle Pflegefachpersonen und bieten so ein starkes Fundament für einheitliche Standards und berufliche Ordnungen.

Die Pflegekammern orientieren sich an den bekannten Strukturen anderer Heilkammern, wie etwa der Ärztekammern, und bieten den Mitgliedern eine klare Stimme in der Berufs- und Gesundheitspolitik. Sie schaffen eine eigenständige Plattform, auf der Pflegefachpersonen politische Entscheidungen mit beeinflussen können, anstatt, wie oft üblich, nur am „Katzentisch“ zu sitzen. Die gesetzliche Verankerung der Kammern gibt ihnen dabei das notwendige Gewicht, um in gesundheitspolitischen Debatten ernst genommen zu werden.

„Pflegeberufekammern sind das Sprachrohr unserer Berufsgruppe. Sie ermöglichen uns, unsere Expertise direkt in den politischen Diskurs einzubringen und für die Pflegefachpersonen einzustehen.“ - Martin Dichter

Die Struktur der Kammern: Aufbau und Organisation

Pflegekammern sind hierarchisch aufgebaut und setzen sich aus unterschiedlichen Gremien und Ausschüssen zusammen, die die Arbeit und Ziele der Kammer bestimmen. Die Mitgliederversammlung ist das zentrale Organ der Kammern, vergleichbar mit einem Parlament für Pflegefachpersonen. Hier werden Entscheidungen zu berufsbezogenen Themen getroffen, Standards formuliert und der Kurs für zukünftige Entwicklungen festgelegt.

Ein wichtiger Punkt ist, dass die Kammern unabhängig arbeiten. Anders als Verbände oder Gewerkschaften, die ihre Arbeit oft auf freiwilligen Mitgliedsbeiträgen finanzieren, ist die Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer die Grundlage für ihre Finanzierungs- und Entscheidungskraft. Diese Struktur stärkt die Kammern, da sie auf verlässliche finanzielle Ressourcen zugreifen können und nicht von externen Förderungen abhängig sind. Damit haben Pflegekammern die Möglichkeit, verbindliche Berufsordnungen und Qualifikationsstandards zu etablieren, die auf die gesamte Berufsgruppe wirken.

Berufs- und Fortbildungsstandards: Qualität im Fokus

Ein zentrales Anliegen der Pflegekammern ist die Förderung und Sicherstellung von Fort- und Weiterbildungen. Während viele Berufsfelder klar geregelte Anforderungen an Fortbildungen und zusätzliche Qualifikationen haben, war die Pflege bislang von einem Dschungel an Zertifikaten und Kursen geprägt, die oft uneinheitlich und wenig transparent waren. Die Kammern möchten hier Abhilfe schaffen und klare Richtlinien und Standards etablieren, die Pflegefachpersonen Orientierung und Sicherheit geben.

„Fortbildung wird endlich strukturiert und transparent. Mit den Kammern haben wir einen verlässlichen Rahmen, der uns auf die Herausforderungen des Berufs optimal vorbereitet.“ - Martin Dichter

Besonders im Bereich der Fachweiterbildungen können Pflegekammern Veränderungen bewirken. Durch die Festlegung spezifischer Standards für Fachrichtungen wie Intensivpflege, Gerontopsychiatrie oder Palliativpflege wird nicht nur die Qualität der Ausbildung gestärkt, sondern auch das Vertrauen der Patient:innen und ihrer Angehörigen gefördert. Pflegefachpersonen, die diese Weiterbildungen absolvieren, wissen genau, dass sie mit ihrer Qualifikation höchsten beruflichen Anforderungen gerecht werden. Durch eine standardisierte Fortbildungspflicht, die sich langfristig im Berufsalltag verankert, können Pflegefachpersonen sicherstellen, dass sie auf dem aktuellen Stand bleiben. Dies ist gerade in einem sich ständig weiterentwickelnden Berufsfeld wie der Pflege unabdingbar. Die Kammern ermöglichen hier eine systematische Fortbildungspflicht, die nicht als Last, sondern als Qualitätssicherung und Chance begriffen wird.

Politische Mitgestaltung: Die Stimme der Pflege im System

Ein weiterer zentraler Punkt, den die Pflegekammern einbringen, ist die politische Einflussnahme. Pflegefachpersonen sind oft die ersten, die die direkten Auswirkungen gesundheitspolitischer Entscheidungen erleben. Die Arbeit der Kammern ist so strukturiert, dass die Pflege eine eigenständige Stimme in der politischen Diskussion erhält. Pflegekammern wirken als beratende Institutionen und können bei Gesetzesentwürfen und Anhörungen Stellung beziehen und Empfehlungen abgeben. Sie haben das Recht, ihre Expertise einzubringen und Gesetzgebungsverfahren aus der Sicht der Pflegefachpersonen zu bewerten.

Eine starke Kammer schafft es so, die Interessen ihrer Mitglieder und den Berufsstand gegenüber politischen Entscheidungsträger:innen zu vertreten. Pflegefachpersonen können durch die Kammern sicherstellen, dass sie nicht mehr übergangen werden, sondern im Entscheidungsprozess eine aktive Rolle spielen. Gerade in Zeiten der Krise, wie etwa während der Pandemie, zeigt sich die Bedeutung einer solchen Institution, die die Situation der Pflege authentisch vermitteln kann.

„Die Pflegeberufekammer stellt sicher, dass die Pflege auf Augenhöhe mit anderen Gesundheitsberufen agieren kann. Das ist ein riesiger Schritt hin zu einer eigenständigen und respektierten Pflege.“ - Martin Dichter

Ein Beispiel hierfür ist die Beteiligung der Pflegekammern an Ausschüssen zur Krankenhausplanung oder zur Ausbildungsförderung im Pflegebereich. Während vorher häufig Organisationen der ärztlichen und therapeutischen Berufe dominierten, ist mit den Kammern ein unabhängiges Organ geschaffen, das direkt für die Interessen der Pflegefachpersonen eintritt und so auf Augenhöhe agiert.

Herausforderung Mitgliedsbeitrag: Kosten und Kritik im Dialog

Die Pflegekammern sind durch die Pflichtmitgliedschaft finanziert, was bedeutet, dass alle Pflegefachpersonen in den Bundesländern, in denen es eine Kammer gibt, einen Beitrag zahlen. Diese Beiträge ermöglichen die unabhängige und nachhaltige Finanzierung der Kammerarbeit. Dennoch wird dieses Thema immer wieder kritisch diskutiert. Viele Pflegefachpersonen fragen sich, warum sie zur Finanzierung beitragen müssen und welche konkreten Vorteile ihnen diese Institution bringt.

Pflegekammern reagieren auf diese Bedenken mit Transparenz und informieren offen über ihre Finanzstrukturen und die Verwendung der Mitgliedsbeiträge. Die Beiträge sind notwendig, um die Kammern langfristig zu stabilisieren und politische Arbeit und Fortbildungsangebote zu finanzieren, ohne dabei von staatlicher Förderung abhängig zu sein. Damit wird die Kammer zum Sprachrohr der Pflegefachpersonen und kann ohne Einschränkung oder Fremdbestimmung agieren.

Rolle der Kammern in der Zukunft: Wandel gestalten

Die Pflegekammern werden die Pflege in Deutschland in den kommenden Jahren entscheidend prägen. Sie schaffen nicht nur die Grundlage für mehr Mitsprache, sondern bringen den Pflegeberuf in eine Position der Wertschätzung und Akzeptanz, die ihm bisher oft verwehrt blieb. Viele Expert:innen sind sich einig, dass es für eine nachhaltige und zukunftsfähige Pflegeversorgung unverzichtbar ist, die Rolle der Pflegefachpersonen zu stärken.

Eine etablierte Kammer kann durch ihre Beratung und Einflussnahme die Pflege attraktiver machen. Junge Menschen, die sich für eine Karriere in der Pflege interessieren, sehen in den Kammern eine Perspektive und ein berufspolitisches Zuhause, in dem sie eine Stimme haben. In einer Zeit, in der der Fachkräftemangel sich immer mehr zuspitzt, sind attraktive Arbeitsbedingungen und eine starke Interessensvertretung ein wichtiger Schritt, um neue Pflegefachpersonen für das Berufsfeld zu gewinnen.

Die Pflegekammern bieten hier durch ihre Arbeit nicht nur den aktiven Pflegefachpersonen Vorteile, sondern stärken das gesamte Gesundheitssystem. In Zeiten, in denen der Anspruch an die pflegerische Versorgung steigt, ist es umso wichtiger, dass der Pflegeberuf auf einem soliden Fundament steht, das von den Pflegefachpersonen selbst mitgestaltet und mitgetragen wird.

Shownotes